Möchengladbach auf eBay – eine Milchmädchenrechnung?

Sonntag Morgen nach dem Frühstück. Ich sitze wie meistens nach dem Frühstück noch ein paar Minuten an meinem Handy und lese so was in der digitalen Welt alles passiert. Dann kommt eine Message vom Kassenzone WhatsApp Newsletter an welcher meine Aufmerksamkeit ergattert.

mönchengladbach_lokaler_marktplatz

Es geht um das eBay Experiment mit lokalen Händlern in Mönchengladbach. Auf Twitter geht die Post bereits voll ab und ich sehe den Kommentar von @supergraf der von einer Milchmädchen Rechnung spricht und @ProfHeinemann das alles transparent sei.

Vor rund 1.5 Jahren im Sommerurlaub habe ich damals eine Nachricht mit dem Titel „Pilotprojekt „Mönchengladbach bei eBay“ ein voller Erfolg“ in meinem RSS-Feed gesehen. Die News musste ich natürlich lesen. Einerseits hatte da scheinbar eBay die Lösung für das Problem des stationären Handels gefunden und andererseits steckte ich selber aufgrund eines Mandates von kaloka.ch selber mitten in dem Thema drin. Das Ergebnis meiner schnellen Analyse damals am Strand von Elba war dann aber nicht gerade eine Erfolgsstory und hat auch bei mir das Prädikat „Marketing Gag“ oder „Milchmädchen Rechnung“ erhalten.

Nun musste ich aber auf den Kassenzone Newsletter meine Story schildern, weil das ist ja das schöne an dem Whats App Newsletter, ich kann den Dialog führen.

Es geht dabei um folgenden Reportage „Existenzkampf im Handel

In der Sendung höre ich dann die Aussage von Dr. Heinemann wie „Kunden recherchieren vor Ihrem Einkauf Online“ welches eine Hypothese war welche wir auch hatten sich aber dann nicht bewahrheitete. In Gesprächen mit Passanten in der Innenstadt von Bern haben wir immer wieder folgende Aussage gehört „Ich weiss ja wo die Läden in meiner Stadt sind oder ich meine Lieblingsmarken erhalte, auch wie deren Sortiment aussieht. Da muss ich vorher nicht recherchieren. Zudem gehe ich meistens zum Zeitvertreib in die Stadt und lasse mich überraschen.“ Also nix mit Recherche vor dem Einkauf in der Stadt.

Aber was passiert den, wenn der lokale Kunde generell Online recherchiert? Bei der weiteren Analyse der Situation entstanden weitere Erkenntnisse welche ich bereits einmal in einem anderen Blogbeitrag verarbeitet habe. Sprich, was passiert den eigentlich wenn ein Berner in Bern nach Produkten googelt? Was wird ihm angezeigt? „Wie die Suchmaschinen den stationären Handel killen„. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nun aber zu den Milchmädchen aus Mönchengladbach und eBay.

Auf Twitter erwähnt @profheinemann das 79 Händler im 1. Jahr 7% Onlineanteil erreicht haben.

OK, dann sind ja vermutlich 2015 79 Händler gestartet. Für das kann man ja auf archive.org nachsehen, wie das dazumals ausgesehen hat. 2015 im Oktober waren aber nur 48 Händler auf eBay Möchengladbach zu finden. Die Rede war doch von 79?

Heute sind von diesen 48 Pionieren nur noch 20 dabei. Mindestens 28 sind zwischenzeitlich ausgestiegen und neue Händler sind dazugekommen.

Aktuell sind auf ebay Mönchengladbach nur 46 Händler aufgeführt und von den 46 führen 12 auf eine Fehlerseite „Dieser Shop existiert leider nicht.“ Also sind 34 Händler aus meiner Sicht aktiv gelistet.

Wen man die aktuell vorhandenen 34 aufgeführten aktiven Händler ansieht, findet man das Account von Media Markt Deutschland, Saturn Deutschland, A.T.U. Deutschland und Crossfer Deutschland, welche mit einem national tätigen Profil gelistet sind. Hier stellt sich dann eine weitere Frage; Wie können aus nationalen Händlern die Ergebnisse lokal zugewiesen werden?

Von den 34 aktiven Händlern aus Mönchengladbach waren 22 bereits vor dem Start des Projektes in 2015 auf eBay Präsent. Das heisst, aktuell sind noch 12 Händler auf der Plattform welche nach 2015 mit dem Experiment gestartet sind.

Alles in allem tönt dies doch nach einer aussagekräftigen Stichprobe welche es aus meiner Sicht ermöglicht fundierte und gestützte Aussagen zu machen. Ich würde hier höchstens von möglichen Anhaltspunkten sprechen, welche weiter geprüft werden müssen.

Auch die Entwicklung der Anzahl Händler schliesst für mich rein objektiv betrachtet eine fulminante Erfolgsstory eher aus. Bei so einem Erfolg müssten ja weitere Händler und Städte eBay die Bude einrennen.

Aber gehen wir doch noch einen Schritt weiter. eBay listet ja auf wie viele Bewertungen ein Händler erhält und auf dem Profil sieht man die Anzahl Profilaufrufe.

Wenn man nun die Gesamtsumme aller Bewertungen der letzten 12 Monate der Händler ansieht welche nach 2015 auf der Plattform gestartet sind im Verhältnis zu den Bewertung von Händlern welche nach 2015 gestartet sind und die oben aufgeführten grossen nationalen Händler ausschliesst (diese würden das Bild massiv verzerren) zeigt sich folgendes Bild:

12390 Bewertungen der alteingesessenen eBay Händler zu 7953 Bewertungen der nach 2015 gestarteten Händler. Wobei bei den neuen Händlern die Linden Apotheke mit 4144 Bewertungen den Hauptteil ausmacht. Was ich als Erfolg deute.

Die anderen erfolgreichen Händler in dieser Auswertung waren aber aber schon länger auf eBay aktiv (Teils seit 2000: CM Audio).

Wenn man nun die nationalen Händler dazu nimmt dann verhaut es das Bild der Bewertungen komplett. Alleine MM und Saturn haben Bewertungen in der Höhe von 463’000 Bewertungen in den letzten 12 Monaten auf eBay (interessanterweise mit fast keinen Seitenaufrufen ….) . Was für mich darauf schliessen lässt, das diese vermutlich so auch in die kommunizierten Umsatzzahlen eingeflossen sind.

So stellen sich für mich insgesamt doch viele Fragen bezüglich Aussagekraft der Zahlen und des Ergebnisses und bezüglich Transparenz. Eine Frage sehe ich aber beantwortet, es ist weder die Lösung für das Problem der stationären Händler und der Innenstädte gefunden und auch keine valide Begründung abgegeben worden. So verkommt das Ganze für mich zu einer Marketing Aktion welches die am Projekt Beteiligten für mich bezüglich Kompetenz  in Frage stellt. Eigentlich Schade.

Über Erich Althaus
Erich Althaus, Inhaber noline.ch GmbH, blickt auf langjährige Erfahrung als Projektleiter auf Web-Agentur-Seite sowie als Teamleiter e-Commerce, Online Marketing, New Media in verschiedenen namhaften Schweizer Unternehmen im Einzelhandel zurück. Seine Stationen in der Informatik und Marketing seit 2000 waren UBS, Novartis, Manor, Athleticum, Jumbo, Migros, Interio, Famigros, Ochsner Sport, Dosenbach, Ochsner Shoes. Heute berät Erich Althaus als Inhaber von noline.ch GmbH schweizer Top Retailer in den Bereichen Online Marketing, e-Commerce und Social Media Marketing.

4 Comments

  1. Guten Abend Herr Althaus,
    bevor ich auf Ihre Fragen eingehe erlauben Sie mir die Frage, wie der letzte Satz Ihres Kommentars genau gemeint war: „welches die am Projekt Beteiligten für mich bezüglich Kompetenz in Frage stellt“?
    Also:
    1. Dass die Google-Suchen selten lokalbezogen erfolgen, bezweifele ich nicht. Ich stütze die Ropo-Aussage auf die Tatsache (als Ergebnis unserer Studien), dass rund die Hälfte der Smartphone-Nutzer (und das sind mehr als 82% der erwachsenen Bevölkerung) sich vom lokalen Händler einen Online-Shop wünschen.
    2. Unsere Studie zeigt auch, dass der Einstieg in erster Linie über Google erfolgt und an zweiter Stelle fast gleichauf über die beiden großen Plattformen Amazon und eBay. Das war für uns auch Grund, mit eBay zu kooperieren. Es ging dabei nicht um das Lokalgedöns, sondern die risikoloseste und einfachste Art für lokale Händler, vom Online-Kuchen mitzuessen. Das ist aufgegangen und beträchtlich Umsätze wurden im Pilotprojekt auch im Export erzielt.
    3. Ich gehe davon aus, dass die Liste aller eBay-Marktplatzpartner bei eBay verfügbar ist. Ich besitze diese nicht und ich habe auch keine Stakes in dem Thema. Ich stütze mich auf die Aussage von Dr. Zoll von eBay damals, dass in MG über 400 Händler auf eBay aktiv sind.
    4. Die Seite „MG-bei-eBay“ reduzierte für die noch jungfräulichen Händler am Anfang die Ängste und Eintrittsbarrieren , wird aber kaum genutzt. Es geht in erster Linie um den Verkauf auf der eBay-Plattform.
    5. In die Berechnungen der Pilotergebnisse, die von eBay vorgenommen wurden, wurden m.E. nicht mit den normalen eBay-Umsätzen vermischt. Die erfolgreichsten Händler waren interessanterweise die Lindenapotheke sowie Kunsthaus Krischel – beide neu dabei.
    6. Bei 120 tsd. Marktplatzpartnern, die eBay Deutschland hat, entsprechen die realisierten Durchschnittsumsätze des Pilotprojekts auch den Gesamt-eBay-Durchschnittsumsätzen (bei ca. 11 Mrd. Handelsvolumen).
    FAZIT: Local Commerce funktioniert nicht und lokale Händler sind auch mit einem eigenen Online-Shop überfordert. Amazon ist ein Tiger und zu gefährlich. Was bleiben denn sonst für Möglichkeiten? Wieso werden diese so schlecht gemacht? Geht es letztendlich nur um das „kaltblütige Interesse“ von E-Commerce-Beratern, Ihre Prognosen hinsichtlich des „Sterbens lokaler Händler“ noch schneller bestätigt sehen zu wollen? Anders verstehe das ganze Getue und die „Unterdergürtellinien-Polemik“ nicht.
    Mit freundlichen Grüßen
    Gerrit Heinemann

    • Um herauszufinden ob etwas funktioniert oder nicht muss man es machen. Das sehe ich auch so und schätze ich auch.

      Es ist aber halt so das die Aussage in der eBay Pressemitteilung und auch im Fernsehbeitrag unbedarft so verstanden werden kann das dieses Pilotprojekt die Lösung für alle Probleme der lokalen Händler ist oder bestätigt wie man die Probleme der lokalen Händler löst. Und das ist es aus meiner Sicht definitiv auch nicht.

      Losgelöst von allem andere was rundherum passiert und aktuell Dimensionen angenommen hat, welche bisher nur schwer vorstellbar waren.

  2. Guten Tag Erich Althaus,
    lassen Sie mich zu Ihrem Kommentar bemerken, dass ich Ihnen gerne unsere fünfte und repräsentative Zeitreihenanalyse (n=2.000 statt einige Passanten in Bern) zur Smartphone-Nutzung zukommen lasse, nach denen die Mehrzahl der Kunden in Deutschland dem ROPO-Muster folgt. Ich schließe nicht aus, dass es in Bern einige Bürger in der Innenstadt gibt, die das nicht tun, oder war Ihre Erhebung dazu, die ich gerne sehen würde, repräsentativ? Darüber hinaus muss ich mich wundern, dass Sie mit aktuellen Händlerzahlen für ein Pilotprojekt argumentieren, dass offiziell in 2016 abgeschlossen wurde. Meine Zahlen beziehen sich auf das Pilotprojekt und sind transparent. Gestartet wurde mit 48 Händlern – das war Bedingung von ebay, um mitzumachen – und Mitte 2016 waren 79 Händler an Bord. Das ist auch in der letzten PM dazu nachzulesen. Etliche der damals beteiligten Händler sind auch nach der Pilotphase dabeigeblieben und heute ganz normale eBay-Partner. Derzeit gibt es übrigens über 400 Händler in MG, die über eBay erfolgreich ihre Produkte verkaufen und zusammen einen hohen zweistelligen Millionenbetrag als Handelsvolumen erzielen. Die Ergebnisse in MG waren für eBay Anlass dafür, ein ähnliches Projekt in Diepholz zu starten und jetzt in anderen Städten damit weiter zu machen. Mit freundlichen Grüßen
    Gerrit Heinemann

    • Grüezi Herr Heinemann,

      Herzlichen Dank das Sie sich die Zeit genommen haben den Beitrag zu lesen und auch zu kommentieren.

      Die Studien Zahlen sind mir alle bekannt. Fact ist, das Auswertungen in der Google Search Console zeigen das die lokalen Kunden Ihre Suchphrasen nicht mit Standortangaben versehen und ohne diese Google keine lokalisierte Trefferliste bei Produktesuchen ausliefert (auch nicht Mobile. Kann jeder in einem Selbstversuch in seiner Stadt ausprobieren und nachvollziehen).

      Der ROPO Effekt besteht, das bestreite ich nicht. Ich stelle nur in Frage ob dies auch für den Ort gilt, in welchem ich Lebe. Bei Zahnarzt, Optiker, Apotheke oder Lebensmittelladen wird die Trefferliste durch Google automatisch lokalisiert und ich erhalte lokale Ergebnisse. Aber nicht wenn ich nach Schuhen, Adidas oder was auch immer suche. Und dann erscheinen halt die Zalando’s, About You’s etc. vor den kleinen lokalen Händlern. Mann müsste dir ROPO Umfrage also präzisieren: „Wieviele Ihrer Online Suchanfragen bezüglich Produkte beinhalten die Suche nach Informationen von lokalen Geschäftern welche sich in Ihrem Wohnort befinden?“. Die Umfrage kann noch gestützt werden mit einer Auswertung der verwendeten Suchbegriffe auf den lokalen Händler Webseiten und was der Kunde beim eingeben dieser Suchanfrage vor Ort sieht. Dies führt dann zu dieser Aussage. Dazu passt auch eines meiner Lieblingszitate „“Every society honors its live conformists and its dead troublemakers.” ― Marshall McLuhan

      Ich stelle nicht die Ergebnisse der Studie in Frage, sondern die Interpretation der Ergebnisse.

      Was mir bezüglich Umsatz auf eBay fehlt ist eine Aussage wie den Mediamarkt, Saturn, A.T.U. in die Umsatzrechnung eingeflossen sind und wie die Händler welche teilweise schon seit 2001 erfolgreich auf eBay tätig sind, in diese Kalkulation aufgenommen wurden. Ohne diese Information scheinen mir die Angaben nicht Transparent. Eine weitere Frage aus dem Kommentar heraus, wenn den die Aktion so erfolgreich war, weshalb werden dann nicht alle 400 Händler aufgelistet oder gibt es einen Grund dafür?

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  1. Ein Märchen aus Mönchengladbach | Kassenzone

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